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Bis in die 60er Jahre gab es wenig sichere Verhütungsmittel, die Frauen vor ungeplanten Schwangerschaften geschützt hätten. Ab 1961 wurde in Westdeutschland das Mittel „Anovlar“ verkauft. Die Pille wurde schnell zu dem am häufigsten verwendeten Mittel zur Verhütung einer Schwangerschaft. Zunächst wurde sie nur verheirateten Frauen verschrieben; erst ab 1972 wurde der Zugang auch unverheirateten Frauen ermöglicht. 1976 verhüteten bereits drei Viertel der 18- und 19-jährigen Frauen mit der Pille. Die Erfindung der Anti-Baby-Pille prägte maßgeblich das 20. Jahrhundert. Ebenso der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch.
Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen seit Mitte der 60er Jahre war die neue ab 1969 amtierende sozialliberale Regierung bereit nicht nur das Sexualstrafrecht zu lockern, sondern auch den § 218 abzuschaffen.
In Reaktion auf den Aufschrei konservativ-katholischer Kräfte ruderte sie jedoch zurück. Dies führte zu einer breiten, von Frauengruppen organisierten Bewegung und vielen Aktionen in der gesamten Bundesrepublik, die der Regierung klar machen sollten, dass die Mehrheit der Bevölkerung für die Abschaffung des § 218 war. Zwar war dank der Pille die Zahl der in der Bundesrepublik vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche von über einer Million auf mehrere hunderttausend zurückgegangen, viele Frauen erlebten jedoch die Kriminalisierung der Abtreibung als Ausdruck der Verachtung, die ihnen in vielen gesellschaftlichen Bereichen entgegengebracht wurde. Feministinnen gingen offensiv gegen die Abtreibungsgegner vor und selbst Frauen, die nie abgetrieben haben oder auch kirchlich gebundene Frauen solidarisierten sich mit ihnen: so sprachen sich 80 Prozent der evangelischen und 40 Prozent der katholischen Frauen für die Legalisierung der Abtreibung aus (Herzog 2005, 275).
Ein Meilenstein der Neuen Frauenbewegung war ein Stern-Artikel, der am 6. Juni 1971 erschien. In diesem Artikel bekannten 374 prominente Frauen: „Ich habe abgetrieben“. So z.B. Carola Stern, Romy Schneider, Senta Berger usw. Die Aktion wurde von Alice Schwarzer nach französischem Vorbild ins Leben gerufen. Da es so viele Frauen waren, die sich zu einem eigenen Schwangerschaftsabbruch bekannten, war es unmöglich, sie strafrechtlich zu verfolgen. 1974 stimmten die Abgeordneten für die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten. 1975 erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Fristenregelung für verfassungswidrig. Erst 1976 beschloss der Bundestag ein neues Gesetz, nach dem Frauen nun in Westdeutschland unter bestimmten Maßgaben wie einer angemessenen „Indikation“ (wobei die Bereitschaft die „soziale Indikation“ anzuerkennen je nach Bundesland sehr unterschiedlich war), Fristenregelung und nach vorheriger Beratung durch entsprechend qualifiziertes Fachpersonal („Zwangsberatung“) straffrei abtreiben konnten.
(Aus: Fernkorn, E., Haid-Loh, A., Hufendiek, S., Meyer, A., Merbach, M und Volger, I. (EZI Berlin), Bewahren und Verändern – 1964 bis 2025.Die Entwicklung der Fort- und Weiterbildung des Evangelischen Zentralinstitutes als Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen.)